Die Berliner Zeitung , fragt sich was hinter dem Engpass auf den Intensivstationen steckt?
Den Krankenhäusern fehlen die Pflegekräfte, dieser Engpass war abzusehen. Warum wurde nicht gegengesteuert? Wer hat die falschen oder gar keine Entscheidungen getroffen? Das zu erfahren haben wir ein Recht, denn unsere Grundrechte sind ja neuerdings an die Belegung der Intensivbetten gekoppelt, meint Gunnar Schupelius.
Hinter der Entscheidung zum Lockdown steckt die Angst der Politiker vor der Überlastung der Intensivstationen. Die Kontakte sollen reduziert werden, damit sich das Virus möglichst langsam ausbreitet.
Die Gefahr der Überlastung war vorhersehbar, weil seit August Woche für Woche immer weniger Intensivbetten zur Verfügung stehen. Auf die Frage, warum nicht gegengesteuert wurde, gibt es bis heute keine schlüssige Antwort.
Die Daten laufen beim Verein „Deutsche Interdisziplinäre Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin e.V.“ (DIVI) zusammen. Auf Anfrage teilte uns die DIVI mit, dass „die derzeitige betriebsbereite Zahl der Intensivbetten“ im gesamten Bundesgebiet „etwa 8000 Betten niedriger“ liege, „als noch Ende Juli“.
Warum wurden 8000 Betten aus dem Verkehr gezogen, wo doch bekannt war, dass die nächste Corona-Welle im Herbst einsetzen würde? Ganz einfach: Weil das Personal fehlt.
Laut Gesetz müssen tagsüber für fünf Betten zwei Pflegekräfte zur Verfügung stehen (nachts: sieben Betten). Wenn dieser Personalschlüssel nicht garantiert werden kann, darf das Intensivbett nicht belegt werden.
Im Frühjahr hatte man diese „Personaluntergrenzen“ angesichts der ersten Corona-Welle aufgehoben, ab dem 1. August galten sie wieder. Prompt sank die Zahl der verfügbaren Intensivbetten dramatisch ab.
► Lesen Sie hier alle Kolumnen von Gunnar Schupelius
Warum fehlt das Personal? Der Pflegekräftemangel nahm Ende November massiv zu, der Engpass dauert an. Es handelt sich um krankheitsbedingte Ausfälle. Weder die DIVI noch die einzelnen Krankenhäuser können aber sagen, woran so viele Pflegekräfte erkrankt sind. Ist es Corona? Wurden sie im Dienst nicht ausreichend geschützt? Warum gibt es dazu keine Auskunft?
Können sie nicht kommen, weil sie ihre Kinder betreuen müssen, die nicht mehr zur Schule gehen? Führt die sehr geringe Bezahlung und die hohe Belastung der Pflegekräfte zu besonders vielen Krankmeldungen?
Die Entwicklung war absehbar: Im späten Herbst fällt mehr Personal wegen Krankheit aus als sonst. Gleichzeitig war die zweite Corona-Welle in Sicht und also mit einem höheren Bedarf zu rechnen.
Die wichtigste aller Fragen lautet also: Warum wurde keine Personalreserve für den Notfall aufgebaut? Man kann Pflegekräfte nicht in ein paar Wochen ausbilden. Aber es gibt vielleicht Personal, das man woanders abziehen könnte oder auch Ärzte, die sich auf Intensivmedizin verstehen, derzeit aber wenig zu tun haben, weil reguläre Behandlungen verschoben werden.
Irgend etwas stimmt da nicht in der Rechnerei. Es sind offenbar falsche oder gar keine Entscheidungen gewesen, die uns in den Notstand führen, vor dem jetzt gewarnt wird. Man würde schon gerne wissen, was hier vertuscht werden soll.
Die Einschränkung unserer Grundrechte ist an die Belegung der Intensivstationen gekoppelt. Also haben wir ein Recht darauf, zu erfahren, ob der Engpass hätte verhindert werden können und vor allem, wer ihn nicht verhindert hat.